(aktualisiert 29.03.2012)

Frühe US-Krisen und Entstehung der Fed

Übersicht

Frühe US-Krisen und Entstehung der Fed

  • Erster Bailout der 13 Gründer-Staaten 1789-1790 
  • First National Bank of the US 1791-1811
  • Second National Bank of the US 1816-1836
  • Panik von 1837: Krise hält bis 1843 an
  • National Banking Act: Greenback und Nationalbanken 1863
  • Schaffung des Office of the Comptroller of the Currency 1863
  • Sherman Antitrust Act 1890
  • Panik durch Silberminen- und Eisenbahnkrise 1893
  • Panik durch Knickerbocker-Trust-Konkurs 10/1907
  • J.P.Morgan rettet Finanzsystem vor Zusammenbruch 11/1907
  • Aldrich-Vreeland-Act: National Monetary Commission 1908
  • Jekyll-Island-Kartell: J.P.Morgan, Aldrich und Warburg 1910
  • Glass-Willis-Proposal: 20 Banken sollen Reserve bilden 1912
  • Glass-Owen-Act: Reserve mit 12 Regionalbanken 1913
  • Reserve Bank Organization Committee beschließt Gründung
  • Federal Reserve New York nimmt Arbeit auf 16.11.1914

 Bernanke: The Federal Reserve and the Financial Crisis

  • Lecture 1: Origins and the Mission of the Federal Reserve
  • Lecture 2: The Federal Reserve after World War II
  • Lecture 3: The Federal Reserve's Response to the Financial Crisis
  • Lecture 4: The Aftermath of the Crisis

Chronologie

1776-1787

Nach der Unabhängkeitserklärung von Großbritannien am 4. Juli 1776 verabschieden die 13 Gründer-Staaten (New Hampshire, Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New York, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland, Virginia, North Carolina, South Carolina und Georgia) 1777 die Articles of Confederation. Diese werden schließlich 1781 ratifiziert, erweisen sich allerdings als unzureichend. Die konföderierte Regierung hat nämlich kein eigenes Besteuerungsrecht. Stattdessen ist sie auf freiwillige Zahlungen der konföderierten Staaten angewiesen. Aufgrund der aufgehäuften Kriegsfolgeschulden ist man jedoch gezwungen, die 13 Saaten zu retten. Dies erkennen Alexander Hamilton und George Washington und drängen auf eine Verfassungsänderung. Bereits 1787 werden deshalb in Philadelphia die Konföderationsartikel durch die heute noch geltende bundesstaatliche Verfassung ersetzt.  

 

1789-1790

Mit der neuen Verfassung wird das Amt des Präsidenten eingeführt. Zum ersten Präsident der USA wird mit Wirkung vom 30. April 1789 der Parteilose George Washington ernannt. Damit ist der Weg für die Rettung der 13 Bundesstaaten geebnet. Etwa 2/3 der Staatsschulden haben bis dato die Continental Government und 1/3 die 13 Staaten. Zusammen machen sie 40% der Wirtschaftsleistung aus. Da die Steuereinnahmen bis zur Verfassungsänderung zu gering waren, um die Schulden zu bedienen, wurden sie mit hohen Abschlägen bewertet. Hamiltons Report on Public Credit 1790 beschreibt einen großen Schuldenhandel, der die Steuergewalt vollständig dem Bund zuweist und in dem im August 1790 die Schulden der Staaten vom Bund vollständig übernommen werden (Erster Bailout in der US-Geschichte). Damit gewährleisten die USA ihre Bonität und die finanzielle Flexibilität zur Neuverschuldung. (Quelle: Thomas J. Sargent in: Wall Street Journal vom 03.02.2012)

 

1791-1811

Auf Initiative des US-Finanzministers Alexander Hamilton und unter dem Parteilosen ersten US-Präsidenten George Washington wird am 25.02.1791 die "First National Bank of the United States" als erste Zentralbank gegründet, deren 20-Jahre-Konzession 1811 ausläuft und in den folgenden Wirren des Britisch-Amerikanischen-Kriegs nicht verlängert wird.

 

1816-1836

Die "Second National Bank of the United States" wird unter dem demokratisch-republikanischen Präsident James Madison gegründet. Die Konzession wird nach ihrem Auslaufen 1836 ebenfalls nicht verlängert. Madison beklagte schon 1829 die enorme Konzentration von Macht in den Händen weniger Männer, die dem Volk gegenüber nicht verantwortlich sind, und bekam dafür große Unterstützung der Öffentlichkeit. Sein populärer demokratischer Nachfolger, Präsident Andrew Jackson, lehnte 1836 mit seinem Veto die Verlängerung der Konzession ab.

 

Panik von 1837

Hohe schuldenfinanzierte Investitionen in Kanäle und Eisenbahnlinien in den 1820er und 1830er Jahren sowie Spekulationen führen in den USA und in Großbritannien zu einer Finanzkrise, die bis 1843 anhält. Gläubiger der USA fordern eine erneute Rettung der US-Staaten. Der Kongress lehnt dies aber ab. Die US-Staaten halten ihre Schuldverpflichtungen daraufhin nicht mehr ein. Die Anleger reagieren panisch. Im Nachhinein ändern jedoch viele Staaten ihre Verfassung und verpflichten sich zur Aufstellung jährlicher ausgeglichener Haushalte. Die Staaten halten sich an die Marktdisziplin und beugen so künftigen Krisen vor.

 

1863

Durch den National Banking Act vom 25.02.1863 wurden unter dem republikanischen Präsidenten Abraham Lincoln die Grundlagen für eine Nationale Währung ("Greenbacks" zur Finanzierung des Krieges) und die Gründung von Nationalen Banken gelegt und das "Office of the Comptroller of the Currency OCC" als Teil des Department of Treasury geschaffen. Eine Zentralbank wird jedoch nicht begründet.

 

1865

Eine Nachbesserung im National Banking Act vom 03.03.1865 erhob eine 10%-Steuer auf die Banknoten der Banken der Bundesstaaten und zwang damit alle Nichtnationalen Währungen aus dem Umlauf und lies die Anzahl der vom OCC zu genehmigenden und zu beaufsichtigenden Nationalen Banken bis Oktober 1866 auf 1.644 anwachsen.

(Kurz darauf, am 15.04.1865, wurde Präsident Lincoln von einem fanatischen Sympathisant der Südstaaten und Mitglied einer Attentätergruppe von Verfechtern der Sklaverei, dem Schauspieler John Wilkes Booth, bei einer Theatervorstellung in Washington D.C. ermordert, der selbst auf der Flucht am 26.04.1865 erschossen wird. Zuvor, am 09.04.1865, kapitulierten die konföderierten Truppen des Südstaaten-Generals Lee.)

 

Sherman Antitrust Act 1890

Um den wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu begegnen, wird am 02.07.1890 mit dem Sherman Antitrust Act erstmals ein Wettbewerbsgesetz eingeführt. Damit sollen Trusts, Kartelle und Monopole beschränkt werden.

 

Panik von 1893

Nach Jahren der Depression gibt es erste Anzeichen von Problemen. Der Konkurs der "Philadelphia and Reading Railroad" am 23.02.1893 führt zu Bank-Runs. Im Hintergrund spielt auch die Silberminenkrise (verbunden mit Silbermünzenwährung und Eisenbahntransportwesen) eine gewisse Rolle. Bis 1896 kollabieren Banken und die Eisenbahngesellschaften Northern Pacific Railway, Union Pacific Railroad und Atchison, Topeka & Santa Fe Railroad. Insgesamt brechen 15.000 Unternehmen und 500 Banken zusammen und es gibt bis zu 12 Mio. Arbeitslose. Eine der größten US-Depressionen hinterläßt ein Erbe von ökonomischer Unsicherheit.

 

Ende des 19. Jahrhunderts

Mit der Wahl des republikanischen Präsidenten Grover Cleveland im Jahr 1897 erholt sich und expandiert die Wirtschaft wieder. Es kommt zum Klondike-Gold-Rush und zum spanisch-amerikanischen und philippinisch-amerikanischen Krieg (Kuba, Philippinen, Puerto Rico im Zuge seiner imperialistischen Politik. nach der Ermordung Clevelands durch Leon Czolgosz kommt 1901 der Republikaner Theodore Roosevelt - bekannt für seine Anti-Trust- und Anti-Kartell-Politik - ins Präsidentenamt. Er erhält 1906 für die Vermittlung im russisch-japanischem Krieg den sechsten Friedensnobelpreis.

 

Panik von Oktober 1907

Die amerikanische Wirtschaft erlebt eine der schlimmsten Finanzkrisen durch Bankzusammenbrüche und mehrfache Geldsystemschwankungen. Die Kurse der NYSE fallen gegenüber 1906 um fast 50 %. Ausgelöst am 14. Oktober 1907 durch den gescheiterten Versuch einiger Banken, die Aktien der United Copper Company zu cornern. Dies führt zu zahlreichen Bank Runs. Die drittgrößte Treuhandgesellschaft "Knickerbocker Trust Company" bricht zusammen. Regionalbanken ziehen Gelder aus New York ab. Mangels einer Zentralbank greift J.P. Morgan persönlich mit seinem Vermögen und der Hilfe anderer Banken stützend ein und verhindert größeren Schaden. Die überstanden geglaubte Krise bricht am Samstag, dem 2. November 1907 erneut aus, als ein großes New Yorker Brokerhaus massiv Kredite aufnehmen muss, die es mit Aktien der Tennessee Coal, Iron and Railroad Company TC&I besichert. Dadurch gerät der Börsenkurs von TC&I unter Druck. Am Abend ruft J.P. Morgan 120 Banker zu sich und schließt sie in seine Bibiliothek ein, bis Sonntag früh um 04:45 Uhr eine Einigung zur Stützung der schwächeren Trusts unterschrieben wird. Schließlich reist er mit zwei hohen über Sonntag Nacht mit dem Zug nach Washington und überzeugt kurz vor Börsenbeginn am Montag Morgen, den 4. November 1907, den Anti-Trust-Verfechter US-Präsident Theodore Roosevelt von der Übernahme der TC&I durch seine US Steel Corporation. Der Kollaps des gesamten Bankensystems wird in der letzten Stunde verhindert.

 

1908

30. Mai: Aldrich-Vreeland-Act: Der US-Kongress gründet die National Monetary Commission, mit der Aufgabe, die Lage der US-Banken und des Geldsystems zu untersuchen. Diese initiierte die Gründung einer Institution, welche die Banken lenkt, Kreditbeschaffungen kontrolliert und Finanz- und Geldkrisen verhindert.

 

1910

22. Nov.: Jekyll-Island-Kartell: Ein geheim tagendes Gremium aus Vertretern des Treasury Departments (Andrews), der J.P. Morgan (Strong und Davison), der First National Bank of New York (Norton; J.P. Morgan dominiert), der Kuhn Loeb & Co. (Warburg), der National City Bank of New York (Vanderlip) und Senator Aldrich (Schwiegervater von John D. Rockefeller Jr.) sowie Vertreter europäischer Großbanken auf einem Morgan-Anwesen auf Jekyll Island (Georgia) beschließt die Gründung der Federal Reserve und fertigt in einer Woche einen Gesetzesentwurf, den Senator Aldrich unter seinem Namen einbrachte, aber zunächst scheiterte.

 

(Eine Verschwörungstheorie besagt, dass zu den Lobbyisten einer privat kontrollierten Zentralbank die europäische Rothschild-Gruppe zählen soll, die sich bemüht, ihren Einfluss in den USA zu vergrößern. Die europäischen Rothschilds sollen angeblich auch die J.P Morgan & Co. Bank, die Bank Kuhn Loeb & Co., John D. Rockefellers Standard Oil Co. (1911 zerschlagen; heute ExxonMobil, BP, Unilever, Conoco, Shell und Chevron), Edward Harrimans Eisenbahn und Andrew Carnegies Stahlwerke finanzieren. Es wird behauptet, dass die Rothschilds Paul Warburg in die USA senden, um mit der Kuhn Loeb & Co. Bank (1977 mit Lehman Brothers fusioniert) zusammenzuarbeiten. Jacob Schiff (Chef von Kuhn Loeb & Co.) und sein Schwager Paul Moritz Warburg starten ihre Lobbyarbeit. - Tatsächlich wird J.P. Morgan in einer Senatsuntersuchung der Verschwörung allerdings nicht der Fed-Gründung, sondern der Panik von 1907 beschuldigt. Vor dem Abschluss des Verfahrens verstirbt er 1913 in Rom)

 

1912

Die Organisatoren der FED-Pläne unterstützen den Wahlkampf vom Demokraten Woodrow Wilson, der dann auch US-Präsident wird. Noch vor seiner Amtseinführung wird Wilson am 26.12.1912 das Glass-Willis-Proposal überreicht, das statt einer Zentralbank eine Reihe von 20 oder mehr privat kontrollierten regionalen Reserve Banken empfahl, die einen Anteil der Reserven der Mitgliedsbanken halten, andere Zentralbankfunktionen ausüben und Zahlungsmittel gegen Commercial Assets sowie Gold ausgeben würden. Wilson stimmte zu, forderte aber einen Central Board um die Arbeit der Regionalen Reserve Banken zu kontrollieren und koordinieren.

 

1913

15. Mrz.: Senat gründet Banking and Currency Committee

23. Dez.: Glass-Owen-Act (auch Federal Reserve Act oder Aldrich Act genannt): Das Federal Reserve System aus 12 Regionalbanken wird gegründet. Der Board of Governors besteht aus 7 Mitgliedern, welche 14 Jahre dienen und vom US-Präsidenten oder Senat ernannt werden. Die Privatbanken sind ab einer gewissen Größe Pflichtmitglied. Das Recht zum Drucken der Banknoten obliegt damit nicht mehr dem US-Staat. Dafür erhält der US-Staat im 16. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung das persönliche Einkommen der Bürger zu besteuern.

 

1914

02. Apr: Das Reserve Bank Organization Committee beschließt die Gründung von 12 Federal Reserve Banken

16. Nov.: Die Federal Reserve Bank of NY nimmt ihre Arbeit auf

Präsident Wilson ernennt Paul Warburg zum ersten Vorsitzenden. Das Aktienkapital beträgt $20 Mio. Die wichtigsten Aktienbesitzer (ohne Gewinnbeteiligung, jedoch mit Verzinsung) sind anfangs:

  • Die Rothschildbanken in Paris und London
  • Lazard Brothers Bank in Paris
  • Israel Moses Seif Bank in Italien
  • Warburg Bank in Amsterdam und Hamburg
  • Lehman Brothers Bank in New York
  • Kuhn Loeb & Co. Bank in New York
  • Rockefellers Chase Manhattan Bank in New York
  • Goldman Sachs Bank in New York

Über die späteren Eigentumsverhältnisse der Federal Reserve liegen bis heute keine Angaben vor. Die Höhe der Einlage richtet sich nach der Größe der Bank.

Bernanke: The Federal Reserve and the Financial Crisis

Am 20.03.2012 startete eine vierteilige Vorlesungsreihe von Federal Reserve-Chairman, Ben Bernanke, zum Thema "The Federal Reserve and the Financial Crises" an der George Washington University School of Business. Der erste Teil lautete: "Origins and Mission of the Federal Reserve". Aufgrund der historischen Bedeutung dieses Vortrages für das Verständnis der Federal Reserve stellen wir das gesamte auf der Website der Federal Reserve veröffentlichte Material bereit:

Origins and Mission of the Federal Reserve
bernanke-lecture-one-20120320.pdf
PDF-Dokument [1.2 MB]
The Federal Reserve after World War II
bernanke-lecture-two-20120322.pdf
PDF-Dokument [967.6 KB]
The Federal Reserve's Response to the Financial Crisis
bernanke-lecture-three-20120327.pdf
PDF-Dokument [3.5 MB]
The Aftermath of the Crisis
bernanke-lecture-four-20120329.pdf
PDF-Dokument [3.5 MB]

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