(aktualisiert 01.04.2012)

Privatverschuldung und Armut

Vorwort

Die Zusammenhänge zwischen Finanzkrise und Privatverschuldung sowie Armut liegen auf der Hand. Wirtschaftliche Einbrüche erlauben keine Lohnsteigerungen und führen zu Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen. Diese treffen besonders die geringer Verdienenden. Steigerungen in den Lebenshaltungskosten und Inflation verringern den Handlungsspielraum der privaten Haushalte. Den Rest übernimmt der Stellenabbau in der Wirtschaft. Folge: Privatverschuldung und Armut.

 

Übersicht:

 

  • Privatverschuldung der deutschen Haushalte
  • Privatverschuldung in der EU
  • Privatverschuldung der US-Haushalte

Privatverschuldung der deutschen Haushalte

Privatverschuldung:

Nach dem von Creditreform herausgegebenen Schuldneratlas Deutschland 2010 können 6,4 Mio Deutsche ihre Kredite nicht aus eigener Kraft zurückzahlen (1,3% weniger als im Vorjahr). Damit beträgt die Schuldnerquote 9,3%. Hauptursachen sind Arbeitslosigkeit, Trennungen/Scheidungen, Krankheit oder übermäßiger Konsum. 2/3 der Überschuldeten sind männlich.

Quelle: BILD 04.11.2011 / dapd
Quelle: Creditreform Schuldneratlas 2011

Privatinsolvenzen:

Im Jahr 2010 stiegen die Privatinsolvenzen um 7,6% auf rund 140.000 Fälle. Der Anstieg der Verbraucherinsolvenz ("kleine Privatinsolvenz") in den Jahren 2002-2007 ist vor allem dadurch bedingt, dass die Möglichkeit der Verbraucherinsolvenz neu eingeführt und nur langsam bekannt wurde.

Quelle: Creditreform 2011
Quelle: Creditreform 2011

Arbeitslosigkeit:

Eine der Ursachen für die Privatverschuldung ist die Arbeitslosigkeit. Die Zahlen sind zwar durch den langjährigen Aufschwung rückläufig, doch scheinen auch in Deutschland Statistische Maßnahmen eine Rolle zu spielen. So werden Arbeitslose, die mindestens 58 Jahre alt sind und wenigsten 12 Monate ALG II beziehen, seit 2008 nicht mehr in der Statisitik als arbeitlos geführt. Nach einem Bericht der Süddeutschen vom 30.12.2011 über eine parlamentarische Anfrage sind das rund 105.000 Personen. Brisant ist dieser Umstand vor dem Hintergrund der Anhebung des Renteneinstiegsalters auf 67 Jahre. Es wird immer wahrscheinlicher, dass ältere Menschen keine Rente mehr beziehen, sondern von der "Sozialhilfe" leben müssen. Und das, obwohl sie jahrelang in die Rentenversicherung einbezahlt haben.

Armut:

Jeder vierte Deutsche, der seinen Job verliert, stürzt sofort in das Arbeitslosengeld II (€374/Monat ab 2012), weil die Qualifikation zu gering ist oder die Zeiten der Einzahlung in die Sozialversicherung zu kurz war. Das sind zum Beispiel 61000 allein im November 2011. Im Zeitraum Dez 2010 bis Nov 2011 wurden 2,8 Mio arbeitslos, davon mussten sich 737.000 mit ALG II begnügen. Die Armutsgefährdungsquote (Single €826; 4-Kopf-Familie €1735) ist regional sehr unterschiedlich: Westdeutschland 13,3%, Ostdeutschland 19,0%, Berlin 19,2%, NRW 15,4%. Die ALG II-Quote liegt in Berlin 21,1%. (Süddeutsche 29.12.2011)

 

Nach einer Studie des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2009 leben 15,6% der Deutschen in Armut (Durchschnitt Eurozone 16,1%). Armut liegt bei demjenigen vor, der weniger als €11.278 im Jahr (€940 Pro Monat) verdient (weniger als 60% des Durchschnittseinkommens). Die Spitzenverdiener (oberes Fünftel) nehmen 4,5 mal mehr ein, als die Geringstverdiener (unteres Fünftel). Damit liegt die Schere zwischen Arm und Reich noch unter dem Durchschnitt der Eurozone von 4,9.

Privatverschuldung in der EU

27. Dez. 2011: Aus Spanien werden 350.000 Zwangsvollstreckungen (Foreclosures) seitBeginn der Finanzkrise Ende 2007 gemeldet (PAH Plattform für Betroffene des Hypothekengeschäfts). Es wurden bereits 125.000 Familien aus ihren Häuser vertrieben. Vor Gericht sind weitere 1 1/2 Mio Fälle anhängig. Mangels Auffangstationen führt dies häufig zur Obdachlosigkeit. (Die Welt)

Mindestlöhne:

Eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Armut kommt der Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen zu. Die folgende Grafik zeigt, dass es keine einheitliche Regelung gibt.

Quelle: Datenreport 2011, destatis.de

Privatverschuldung der US-Haushalte

Arbeitslosigkeit

Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei rund 9%. Inoffizielle Quellen sprechen von 20%.

 

Schuldensituation

Nach einer Studie von Harris Interactive im Auftrag von NEFE National Endowment for Financial Education geben 75% der im Dezember 2011 befragten 2525 Erwachsenen an, Schulden zu haben und sagen 51%, über deren Höhe besorgt zu sein.

 

Kreditkartenverschuldung

Ende 2011 zahlen 14 Millionen US-Bürger immer noch ihre Kreditkartenschulden aus dem Urlaub 2010 zurück (lerninvest). Kreditkarten werden ohne besondere Prüfungen ausgegeben. Salden werden durch neue Kreditkarten ausgeglichen.

 

Studentenkredite

In 2011 überschritten die Summe aller "Student Loans" die Grenze von $1 Billion und die Hochschulabsolventen 2011 hatten die höchste Durchschnittsverschuldung in der Geschichte (2009 $24000). (consumerreports.org). Präsident Obama schlägt am 31.03.2012 vor, dass die Rückzahlung der Student Loans an den Möglichkeiten der Schuldnern und nicht an der Höhe der Schuld gemessen werden sollten. Die Federal Reserve of New York berichtet im März 2012, dass 10% aller Student Loans im 3. Quartal 2011 säumig waren.

 

Gesundheitsversorgung

Durch die Einführung der allgemeinen Krankenversicherung ist die Versorgung verbessert. Allerdings hat das die Staatsschulden erhöht.

 

Armut

64% der US-Bürger haben nicht genügend Cash, um unerwartete Notausgaben von $1000 zu bestreiten. 

 

Konsum und Sparen

Konsumausgaben machen rund 70% der wirtschaftlichen Aktivitäten aus (Deutschland 57%). Die Sparquote ging in 2005 auf Null zurück und liegt heute unter 6% (Deutschland 10-13%). Siehe Chart:

Quelle: Federal Reserve of St. Louis 09.12.2011